Bioelektronik

Die Mikroelektronik spielt in der Biotechnologie eine zunehmend wichtige Rolle. Beide Wissensgebiete nutzen Methoden zur Manipulation nanoskaliger Strukturen, die immer weiter verfeinert werden. Ausgehend von dieser Konvergenz hat sich das neue Fachgebiet der Bioelektronik formiert, das mit der Integration elektronischer Systeme in biologischen Umgebungen befasst ist und Wechselwirkungen zwischen beiden Materialwelten untersucht. Wichtige Entwicklungen finden zurzeit auf dem Gebiet der elektrischen Zellseparation statt, wo es die fortschreitende Miniaturisierung ermöglicht, biologische Zellen wie mit einer unsichtbaren Pinzette zu verschieben und zu bewegen.

Um der Entwicklung gerecht zu werden, haben die TU Berlin und das IHP das gemeinsame Labor für Bioelektronik gegründet.

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    Der Forschungsschwerpunkt des Joint Labs ist die Entwicklung von:  

    • Zellsteuerung mit Dielektrophorese
    • photonische Biosensorik
    • Monitoring von Bioprozessen
    • additive Fertigung für das Chiplabor

    Zellsteuerung mit Dielektrophorese

    Setzt man biologische Zellen, die in einem wässrigen Medium gelöst sind, einem inhomogenen elektrischen Feld aus, so kann ein elektrisches Dipolmoment induziert und eine Wechselwirkung mit dem Feld hervorgerufen werden. In der Konsequenz wird eine elektrische Kraft auf die Zelle ausgeübt, was als Dielektrophorese (DEP) oder dielektrophoretischer Effekt bezeichnet wird. Die Mehrzahl der biotechnologischen Untersuchungen in diesem Feld beziehen sich auf die Manipulation von Zellströmen in mikrofluidischen Kanälen, in denen DEP durch metallische Elektroden hervorgerufen wird. Die DEP-Kraft mag entweder anziehender oder abstoßender Natur sein, je nachdem, ob die Zelle zu der Elektrode mit der höheren Feldliniendichte angezogen oder von ihr abgestoßen wird.

    Dielektrophorese ist ein bemerkenswertes Phänomen, weil damit verschiedene Zellen nach ihren verschiedenen Polarisierbarkeiten zu trennen sind – ohne sie zu markieren, wie in der Schema-Zeichnung gezeigt. Die Technik wurde deshalb bereits für die Sortierung verschiedener E.-coli-Stämme getestet oder auch an Mikroorganismen mit verschiedener Dichte von Zellorganellen. Innerhalb des Gemeinsamen Labors wird ihr Einsatz zur Optimierung von Bioprozessen geprüft [1].

    Photonische Biosensorik

    Eine wichtige Rolle spielt die Bioelektronik auch beim Nachweis von kleinen biologischen Molekülen, also in der Biosensorik. Verschiedene Prinzipien wie elektrochemische, optische, immunologische und Kombinationen werden dafür genutzt. Der entscheidende Vorteil der Mikroelektronik liegt in der möglich werdenden, extremen Miniaturisierbarkeit der Sensorsysteme. Denn in den letzten Jahren konnten immer mehr Funktionalitäten in Mikrochips integriert werden – wie jeder von uns an seinem immer smarter werdenden Smartphone verfolgen konnte.

    Im Rahmen eines DFG-geförderten Projekts werden am Gemeinsamen Labor optische Biosensorchips entwickelt, bei denen der Nachweis mit Hilfe von Mikroring-Resonatoren erfolgt. Eine in einem runden Wellenleiter (Mikroring) stehende optische Welle wird dabei durch die Konzentration des Analyten moduliert. Im laufenden Projekt wird die Diffusion der Analytmoleküle zum Mikroring durch den attraktiven DEP-Effekt verstärkt, womit kleinste Nachweisgrenzen zu erreichen sind.

    Die Abbildung zeigt schematisch das Sensordesign und eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme (weißer Balken als Maßstab mit 10 µm Länge), wobei die metallischen DEP-Elektroden in Zick-Zack-Form gestaltet sind und der freigelegte Bereich des Mikrorings in einem Graben verläuft [3].

    Monitoring von Bioprozessen

    In Bioreaktoren werden inzwischen eine Vielzahl von Pharmazeutika, Nahrungsergänzungsstoffe und andere chemische Substanzen hergestellt. Die Überwachung der Prozessbedingungen ist dabei notwendig, um die über viele Tage laufenden Prozesse stabil und effektiv zu gestalten. Zu diesem Zweck müssen physikalische Parameter wie pH und Temperatur, aber auch die Konzentration bestimmter Substanzen kontinuierlich überwacht werden.
    Die am häufigsten genutzte Kohlenstoffquelle in Bioprozessen ist Glucose und in einer Studie wurde untersucht, inwieweit der am IHP entwickelte affinitätsviskosimetrische Glucosesensor zum Monitoring geeignet ist [4]. Dabei stellte sich heraus, dass die schwankenden Elektrolytkonzentrationen starke Drifts des Sensorsignals hervorrufen können. Aufgrund dieser Erfahrungen scheinen zurzeit optische Biosensoren wie solche, die nach dem Raman-Prinzip funktionieren, am besten geeignet für das Bioprozess-Monitoring [5]. 

    Die Abbildung zeigt den in einem Bioprozess getesteten Glucosesensorchip.

    Additive Fertigung für das Chiplabor

    Der Einsatz von Mikroelektronikchips in biologischen Umgebungen eröffnet Perspektiven für eine weitgehende Miniaturisierung. Für verschiedene Anwendungen konnten die zuvor in einem Labor durchgeführten Analysen auf engsten Raum zusammengeführt werden, weshalb sich die Kurzbezeichnung Lab-on-a-Chip (LoC) eingebürgert hat. In solchen LoC-Systemen werden z. B. Zellsuspensionen in mikrofluidischen Kanälen prozessiert und zu mikroskopisch kleinen Misch-, Lyse- und Analytikräumen geleitet. Die letzteren können mit mikroelektronischen Sensorchips ausgestattet sein, für die dann spezielle Integrations- oder Packaging-Konzepte zu entwickeln sind.

    Wesentliche Vereinfachungen der Integrationsprozesse haben der 3D-Druck oder generell additive Fertigungsverfahren ermöglicht. In verschiedenen Projekten, wie dem MRR-DEP-Biosensor oder der DEP-basierten Zellseparation, werden die benötigten Experimentiersysteme mit AM-Verfahren hergestellt. Hierfür wird von den vielfältigen Möglichkeiten Gebrauch gemacht, die für AM an der TU Berlin bestehen. Die Abbildung zeigt die Explosionszeichnung eines mikrofluidischen Systems zur Mikroalgen-Separation mit dem DEP-Effekt [2].

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    Photonische Biosensorik

    Zellseparation

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    1. Henriksson A, Kasper L, Jäger M, Neubauer P, Birkholz M, An Approach to Ring Resonator Biosensing Assisted by Dielectrophoresis: Design, Simulation and Fabrication, Micromachines 2020, 11(11), 954.

    2. V. Abt, F. Gringel, A. Han, P. Neubauer, M. Birkholz, Separation, Characterization, and Handling of Microalgae by Dielectrophoresis, Microorganisms 8 (2020) 540

    3. A. Barai, J. Flügge, A. Hutari, P. Neubauer, M. Birkholz, Dielektrophorese-basiertes Lab-on-Chip-System zur Separation von Mikroalgen, Mikrosystemtechnik-Kongreß, Berlin, 2019

    4. A. Henriksson, L. Kasper, M. Jäger, P. Neubauer, M. Birkholz, An approach to ring resonator biosensing assisted by dielectrophoresis: Design, simulation and fabrication (submitted) 2020

    5. L. Theuer, M. Lehmann, S. Junne, P. Neubauer, M. Birkholz, Micro-electromechanical affinity sensor for the monitoring of glucose in bioprocess media, International journal of molecular sciences 18 (2017) 1235

    6. M. Kögler, A. Paul, E. Anane, M. Birkholz, A. Bunker, T. Viitala, M. Maiwald, S. Junne, P. Neubauer, Comparison of time‐gated surface‐enhanced raman spectroscopy (TG‐SERS) and classical SERS based monitoring of Escherichia coli cultivation samples, Biotechnology Progress 34 (2018), 1533

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    Regelmäßig im Sommersemester wird die integrierte Lehrveranstaltung „Einführung in die Bioelektronik“ an der TU Berlin abgehalten, die sich vorrangig an Biotechnologen (und Studierende anderer Lebenswissenschaften) wendet, um sie mit den modernen Methoden der Mikroelektronik bekannt zu machen.

    Seit 2019 wird auch ein Praktikum Bioelektronik angeboten, das Versuche zu EKG, amperometrischem Glucosesensor, Dielektrophorese und Zelldichtebestimmung mit Impedanzmessung  umfasst.
    Verschiedene BSc- und MSc-Arbeiten wurden seit Bestehen des Labors von beiden Leitern gemeinsam betreut.

Prof. Dr. Mario Birkholz

IHP 
Im Technologiepark 25
15236 Frankfurt (Oder)
Deutschland

Sekretariat:
Katja Albani
Telefon: +49 335 5625 670
Fax: +49 335 5625 327
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